Erschienen im Freitag
Im Herbst 2019 schleppt sich Christina Feist abends ins Pariser Boxstudio. Auch an Tagen, an denen sie es kaum schafft, das Bett zu verlassen: Boxen muss sein. Zu Fuß, denn die Zeiten, in denen sie angstfrei eine U-Bahn betreten kann, sind vorbei. Fünf bis sieben Trainingsstunden nimmt sie pro Woche. In Kampfsportstudios ist es laut. Keuchen, Tritte, Schläge. Matten, die mit voller Wucht auf den Boden klatschen. Die nächste Panikattacke ist nie weit.
„Boxen ist ein kontraintuitiver Sport“, sagt Feist. „Man setzt sich Situationen aus, die den natürlichen Reflexen widersprechen.“ Manchmal muss sie pausieren, kämpft mit den Tränen. Es gibt auch Tage, da geht sie genau deshalb ins Boxstudio, weil die Tränen nicht kommen wollen. Ihre Trainerin weiß Bescheid. Am ersten Tag ging Feist zu ihr und sagte: „Schau mal, es gab ein Attentat vor ein paar Tagen in Deutschland. Ich habe das überlebt.“
Am 9. Oktober 2019 versuchte ein schwer bewaffneter Rechtsextremist eine Synagoge in Halle zu stürmen. 52 Menschen feierten darin Jom Kippur. Eine von ihnen: Christina Feist.
