
Erschienen in der Frankfurter Rundschau
Rifet Hrustanović konnte perfekte Papierflieger basteln. Und Papierboote. Als Sohn Ahmed sich ein Fahrrad wünschte und das nötige Material fehlte, schnitzte sein Vater ihm eines aus Holz. Hrustanović war ein stolzer Bauarbeiter, der in den Sommermonaten in ganz Jugoslawien arbeitete: auf Baustellen in Trebinje, Split, Dubrovnik und Belgrad. Nur der Winter gehörte ganz der Familie. Dann kehrte Rifet Hrustanović heim in das Dorf Miholjevine, rund 35 Kilometer von Srebrenica entfernt. Grüne Hügelketten, Bergbäche, Schafe, in den Häusern rauchende Kaminöfen. Über den Ort seiner Kindheit sagt Ahmed Hrustanović: „Es war ein Dorf wie aus einem Märchen.“
Wenig später, im Jahr 1995, gruben im Osten des Landes Bulldozer riesige Löcher in die Erde. Ein US-amerikanisches Aufklärungsflugzeug übermittelte der Welt schon während des Geschehens das Grauen. Am 13. Juli 1995 zeigte ein Satellitenfoto eine Gruppe von etwa 600 jungen Männern auf einem Fußballplatz. Auf einem zweiten: ein leeres Spielfeld. Dann: frisch umgegrabene Erde. Szenen wie diese spielten sich in zahlreichen Nachbardörfern von Srebrenica ab. Man fand die Knochen von Rifet Hrustanović in vier verschiedenen Massengräbern. Er ist eines der mehr als 8300 Opfer des Genozids von Srebrenica.